Besenbahn

Das Wahrnehmen wahrnehmen: Durch Medien wird solches möglich und unmöglich zugleich. Beim bewegten Bild etwa zählt allemal mehr, was da in Bewegung zu sehen ist und nicht, was bewegt. Dabei gerät tendenziell der Umstand aus dem Blick, dass das bewegte Bild ohne die Illusion einer Wahrnehmung von Einzelbildern als Bewegung gar nicht existieren könnte. Kein Wunder also, wenn filmische bzw. videografische Experimente im Kern auf eine Reflexion medial vermittelter Wahrnehmungsformen zielen, um die von den Medien diktierten Wahrnehmungsbedingungen der sinnlichen Erfahrung wiederum zugänglich zu machen.
Das ist bei besenbahn nicht anders, auch wenn die Problemstellung durch den Bezug auf eine selbst schon technisch vermittelte Wahrnehmung zusätzlich verkompliziert wird: Nicht die "natürliche", sondern die mit den Mitteln des modernen Personentransports bewegte Wahrnehmung ist Gegenstand des Videos, und damit implizit die Geschichte einer epochalen Transformation von Raum- und Zeiterfahrung, an deren vorläufigem Ende in entsprechenden Kontexten - etwa einer Stadt wie Los Angeles, deren Gestalt von der Geschichte der Motorisierung geformt wurde - die bewegte als bereits selbstverständlich gewordener Teil der natürlichen Wahrnehmung erscheint. Die These, die besenbahn in diesem Zusammenhang vorträgt, wäre demnach, dass das spezifisch Ästhetische einer solchen bewegten Wahrnehmung den bereits natürlich gewordenen Formen audiovisueller Repräsentation (etwa die Darstellung von Bewegung durch eine Kamerafahrt) entgeht: Die "subjektive Geometrie, die Raum durch Zeitabstände bestimmt" (Dietmar Offenhuber) verdeutlicht hier in ihrer Fragmentierung des Wahrnehmungskontinuums eine Erfahrung, die genau deshalb verborgen bleiben konnte, weil sie schon tausendfach gemacht wurde.

(Vrääth Öhner)


Die Wahrnehmung der Stadt im Bezugssystem des motorisierten Bewohners und die Formulierung einer subjektiven Geometrie, die Raum durch Zeitabstände bestimmt, stehen im Mittelpunkt dieser Arbeit. Zum Musiktrack besenbahn von tamtam werden Fragmente von Los Angeles in diesem Wahrnehmungsraum abgebildet. Durch Wiederholung und zeitliches Versetzen von Videosequenzen entsteht ein zusammenhängender Bildstreifen, der nur durch die Geschwindigkeit der bewegten Kamera lesbar wird. Stockt die Bewegung, beginnt das Bild in repetitive Fragmente zu zerfallen.

(Dietmar Offenhuber)


"In der Tat ist das Automobil ein Projektor, dessen Geschwindigkeit wir mit der Schaltung regeln", sagt Paul Virilio in "Fahren, fahren, fahren". Im Fahren erfahren wir den Raum, indem wir aus flüchtigen Einzelwahrnehmungen ein Kontinuum bilde. Dietmar Offenhubers Video Besenbahn setzt sich aus Blicken aus dem Seitenfenster eines fahrenden Autos zusammen. Die Objekte, die von rechts nach links durchs Bild gleiten, formen ein gleichförmiges, metrisch unterteiltes Band, das an den horizontal laufenden "Filmstreifen" des Zoetropes erinnert, der "Wundertrommel" des frühen Kinos. Die Straßen im urbanen Geflecht von Loas Angeles werden in Besenbahn zu Daten-Highways, zu virtuellen Orten eines ziel- und endlosen Transits.

(Matthias Müller, Max Ophüls Filmfestival Katalog, 2004)

besenbahn entstand in Zusammenhang mit einem Web3D-Projekt, das subjektive Geometrien behandelt. http://futurelab.aec.at/wegzeit

Orig. Titel
Besenbahn
Jahr
2002
Länder
Österreich, USA, Deutschland
Länge
10 min
Kategorie
Avantgarde/Kunst
Orig. Sprache
Kein Dialog
Downloads
besenbahn (Bild)
besenbahn (Bild)
besenbahn (Bild)
Credits
Regie
Dietmar Offenhuber
Sound
tamtam, Hannes Strobl, Sam Auinger
Verfügbare Formate
Digital File (prores, h264)
Festivals (Auswahl)
2002
Graz - Diagonale, Festival des Österreichischen Films
2003
Zürich - VIDEOEXperimental; Video & Film Festival
Wroclaw - WRO-International Media Art Biennale
Barcelona - Sonar Int. Festival of Advanced Music
Hamburg - Int. Kurzfilm-Festival & No Budget
Melbourne - Int. Film Festival
Karlsruhe - Int. Medienkunstpreis
Wiesbaden - exground on screen
2004
Saarbrücken - Filmfestival Max Ophüls Preis
Tampere - Film Festival