Von Ilse ganz zu schweigen

Von Ilse ganz zu schweigen ist ein Film voller Sprache. Eine Frauenstimme und eine Männerstimme sprechen abwechselnd aus dem Off, erzählen parallel. Sie reden von Ilse Schneider-Lengyel, in deren Haus am Bannwaldsee im Allgäu das erste Treffen der Gruppe 47 stattfand – und damit auch von jener literarischen und intellektuellen Elite Nachkriegsdeutschlands, die sich 1967 (rechtzeitig vor dem Ausbruch des gesellschaftlichen Umbruchs 1968) auflösen sollte.

Das Bild ist schwarzweiß, bleibt in der Vergangenheit. Er – der Mann, der von ferne an Peter Handke erinnert (ohne Brille) – bewegt sich ein wenig wie eine Figur aus einem Slapstickfilm durch die Winterlandschaft, es ist kalt, der Blick ist verstellt, grau in grau, Nebel auf Schnee. Sie – die Frau – sitzt beinahe unbewegt, bewegungslos auf einer Leiter und wird – doppelt – portraitiert: Sie wird gemalt und besprochen. Von Ilse ganz zu schweigen versammelt alle Eckdaten, nennt alle Fakten, die es zu wissen gilt. Aber erschöpft sich damit das Bild? Wovon man sich zu schweigen gebietet, darüber will man ja eigentlich am meisten reden.
So ist sie in die Geschichte eingegangen, als erste Gastgeberin der Gruppe 47. So gefiel sie sich selbst, als „ein Einwand in der männerdominierten Nachkriegsliteratur“. Der Film stellt das klar und dreht die Hierarchie um: Ilse hatte ihre eigene Geschichte und erwarb ihre eigenen Meriten. Auch Ilse ist voller Legenden. Mit ihrer stark vom Surrealismus geprägten Sprache passte sie ohnedies nicht so recht in den Kader der Gruppe. Mit ihrer Diskursstrenge passte die Gruppe dann ohnedies nicht mehr in den Kader der Revolution. Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen. Handke kommt nach Princeton und beschimpft sein Publikum. Ilse’s Spur verliert sich in der Aufregung der Ereignisse. Sie findet sich wieder, als sie 1972 stirbt. Die Vergangenheit holt uns ein, Geschichte ist komisch. Die Dialektik der Aufklärung trifft ihn – den Mann – am Hinterkopf.
(Sylvia Szely)

Orig. Titel
Von Ilse ganz zu schweigen
Jahr
2014
Land
Österreich
Länge
8 min
Kategorie
Kurzfilm
Orig. Sprache
Deutsch
Credits
Regie
Jens Höffken
Konzept & Realisation
Jens Höffken
Darsteller*in
Lenneke de Boer, Christa Wall, Angela Appenzeller, Barbara A. Felton, Magdalena Sams, Vivian di Iorio, Wenzel Brüchner
Verfügbare Formate
DCP 2K flat (Distributionskopie)
Bildformat
16:9
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
s/w
Digital File (prores, h264) (Distributionskopie)
Festivals (Auswahl)
2015
Belgrade - Alternative Film/Video Festival
Belgrade - Alternative Film/Video Festival