Mare Imbrium

Vor einiger Zeit konnte ich eine ebenso faszinierende wie gewöhnliche Aufnahme machen: die Spiegelung des Vollmondes auf der Meeresoberfläche. Der Reiz, der von dieser doppelten Reflexion des Sonnenlichtes, von der Mond- über die Wasseroberfläche, ausgeht, brachte mich zur dritten Ebene der Reflexion - das Lichtspiel auf der Kinoleinwand.  

Mare Imbrium formt eine filmische Genesis, gebildet aus den Voraussetzungen des Sehens. Alles beginnt mit Licht-Partikeln, elementare Teilchen aus Reflektionen eines Körpers auf einem bewegten Untergrund. Die flirrenden, tanzenden Partikel sind in einer Figur, dann in zwei weiteren inmitten von Schwarz gefasst, ein ansteigendes Knistern orchestriert den Rhythmus. Diese gestalteten Ausschnitte einer Wirklichkeit aus Licht und Körper transformieren in eine Art elektro-magnetisches Feld, in ein a-semantisches Rauschen. Brausender Niederschlag und schäumende Gischt, ein Regenmeer (so der deutsche Name für Mare Imbrium, mit dem eine jener dunklen Stellen auf dem Mond benannt worden ist) schält sich assoziativ aus dem visuellen Gewimmel. Damit beginnt mit einfachsten Mitteln eine Reise durch Raum und Zeit. In diesem neuen, nach- oder meta-physikalischen Zustand verselbständigt sich die Gestalt der Partikel, wird abstrakter bzw. formiert sich zu einem Zeichensystem, einem Code, es ist, als ob Lettern durch den Raum fliegen, ein neues, video-graphisches Alphabet. Der experimentelle Demiurg, der dieses Formengestöber einer fremden Schrift hervorruft, appelliert nunmehr an die Macht seiner Maschine, den proto-ästhetischen, non-materiellen Eigensinn des Bildes und seiner Bewegungen in einem kreatürlichen Delirium zu verwirklichen. Eine Art elektronisches Drip-Painting. Ein Chaosmos aus Licht und supernatural bodies. Und schafft Analogien. Plötzlich wird der analoge Mond sichtbar, er befindet sich über einem analogen Auge, Pupille und Mond vereinen sich, ein Neues Sehen. In der letzten Phase legt sich eine Art Haut, poröse Membran – die fotochemische Schicht eines von Wasser zerstörten Filmstreifens – über den Mond, ihr organisches Sein oszilliert mit dem Flux der vibrierenden Neuen Materie. Und dann flirren die Partikel ein letztes Mal, verschwinden im Nichts. Ein mächtiger, kreativer Bild-Akt.  
(Marc Ries/ Kursive Passagen: Siegfried A. Fruhauf)   

Orig. Titel
Mare Imbrium
Jahr
2024
Land
Österreich
Länge
12 min
Kategorie
Experimental
Orig. Sprache
Kein Dialog
Downloads
Credits
Regie
Siegfried A. Fruhauf
Konzept & Realisation
Siegfried A. Fruhauf
Mit Unterstützung von
Land Oberösterreich Kunst und Kultur
Verfügbare Formate
DCP 2K scope (Distributionskopie)
Bildformat
1:2,39
Tonformat
7.1 surround
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
s/w
ProRes File (Distributionskopie)
Bildformat
1:2,39
Tonformat
5.1 surround
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
s/w
Festivals (Auswahl)
2024
Graz - Diagonale, Festival des österreichischen Films