ARIA DE MUSTANG

Teil 2 von NOUVELLE BURLESQUE BRUTAL

Mit dem Striptease geht die Geschichte der Ausbeutung von Frauen, sowohl was patriarchale Ökonomien als auch rigide Körperbilder und Blickregime betrifft, einher. Seit dem Beginn der 1990er Jahre begegnet die "New Burlesque", in Anlehnung an Theaterformen der 1930er Jahre, dieser Gattung mit Humor und Selbstbewusstsein und versucht den weiblichen Körper als selbstbestimmtes Feld der Attraktion neu zu erschließen. Die sexuelle Aufladung wird dabei durch ein tänzerisches Spiel der Posen und Gesten ergänzt, die nicht auf den reinen Männerblick ausgerichtet sind und alternative Körperbilder propagieren.

Mit ARIA DE MUSTANG, dem zweiten Teil einer geplanten Trilogie, bezieht sich Katrina Daschner ganz deutlich auf dieses Genre, erweitert es aber zugleich mit queer-lesbischen, auch sadomasochistische Zeichen oder Bilder, die in herkömmlichen heteronormativen Darstellungssystemen keinen Platz finden. Gleich zu Beginn macht Daschner deutlich, in welchem Kontext sie sich positioniert, welchen Augen und Ohren sie sich mit ihrer Performance aussetzt. Ähnlich der Funktion eines griechischen Chors rahmen Proponentinnen der Wiener queer-lesbischen Kunst- und Kulturarbeit in Reiterinnen-Outfits das glamourös glitzernde Setting und fungieren als johlender Kommentar, der das Video abschließt.

Die Choreografie der Performance, in der sich Daschner mit zwei Gespielinnen - alle drei in Fetischkostümen - vergnügt, verläuft entlang einer sich mehrfach wiederholenden Songzeile der heimischen Formation Bonanza Jellybean: "I know, that I am gorgeous, that is nothing new. When I go to bed tonight it will definitely not be with you". Trotz dieser unmissverständlichen Absage im Musikstück, bleibt der direkte und autonome Blick in die Kamera, der stets mit dem Publikum Kontakt hält, die bestimmende Geste, sowohl der Performerinnen als auch des Chors. Selbst als eine softpornografische Szene das Ende der Performance setzt, werden die Augen nicht schamvoll gesenkt, sondern bleibt der Ausdruck von den Darstellerinnen kontrolliert. Eine Verqueerung vorhandener Zustände, die den Flirt mit der Kamera kokett inszeniert.

(Dietmar Schwärzler)


Während im ersten Teil der dreiteiligen Burlesque-Filmserie, Hafenperlen (2008), zwei Frauen miteinander kokettieren, löst sich das Doppelgängerspiel bei ARIA DE MUSTANG auf und wird zu einer Beziehung zwischen einer Dressurreiterin und einem glitzernden Pferd. Eine Amour fou à trois.

Entscheidendes Moment beider Filme ist ein lesbisch-queerer-Chor: Dieser stellt nicht nur formal die Rahmung her. Er markiert das Setting, zeigt den Kontext der Inszenierung und kommentiert - gleich einem Publikum - die neo-burlseque Szene.

So wechselt der anfänglich erzählerische, pathetisch-distanzierte vermeintlich disziplinierte Reiterinnenchor in der Schlussszene die Tonart und wird zur ekstatischen Masse: Statt in choralem Lachanfall wie bei Hafenperlen kulminiert ARIA DE MUSTANG in kollektiver Kolloratur.

(Katrina Daschner)


Die wohlgeordneten Verhältnisse der distinguierten Lady mit Austrittsabsicht geraten im Stall ordendlich aus den Fugen. Im Angesicht des Wohlgeformten Reittiers beginnt alsbald - getrieben vom rhythmischen Soundscore der Bonanza Jellybean - ein "gorgeous romp andstomp" zwischen Pferd und Reiterin, bei dem der Dame des Hauses das schnieke Dressur-Outfit langsam, aber sicher abhanden kommt. Von nobler Contenance ist schnell wenig übrig und es ist unklar, wer hier wen verführt und antörn. Ein leidenschaftliches "give and take" mit den praktischerweise vorhandenen Reiterinnenchor die neoburlesque Ausschweifung zur Disziplin ruft . . .

Mit der Kamera und so manchen Topoi aus der erotischen Tradition des (Stumm-)Films, des Theaters und der Literatur kokettierend entspinnt ARIA DE MUSTANG eine lustvolle performative, "amour fou à trois" und ein augenzwinkerndes Spiel mit Outfits, Interieurs, diversen Genreversatzstücken und den wesentlichen Elementen des Mediums: Das Papppferd hat einen beeindruckenden Auftritt von links, und die Protagonistin wirft schon mal einen neckischen Blick in die Linse.

(Barbara Reumüller)

Orig. Titel
ARIA DE MUSTANG
Jahr
2009
Land
Österreich
Länge
18 min
Kategorie
Avantgarde/Kunst
Orig. Sprache
Kein Dialog
Downloads
Credits
Regie
Katrina Daschner
Konzept & Realisation
Katrina Daschner
Kamera
Hannes Böck
Schnitt
Katrina Daschner, Hannes Böck
Darsteller*in
Denice Bourbon, Katharina Aigner , Sabine Marte, Sandra Ortmann, Astrid Wagner, Frau Professor La Rose
Produktion
Lady Chutney
Produzent*in
Katrina Daschner
Produktionsleitung
Katharina Aigner
Produktionsassistenz
Astrid Wagner
Mit Unterstützung von
Carola Dertnig
Verfügbare Formate
Betacam SP (Distributionskopie)
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
Farbe
Digital Betacam (Distributionskopie)
Bildformat
16:9
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
Farbe
Digital File (prores, h264) (Distributionskopie)
Festivals (Auswahl)
2009
Wien - Identities Queer Film Festival
Lissabon - Queerlisboa Lesbian & Gay Festival
Oslo - Gay and Lesbian Film Festival
Hamburg - Lesbisch Schwule Filmtage Querfeld
Montréal - Image&Nation Gaie et Lesbienne Montréal, Festival Int. de Cinéma et Video
Paris - Lesbian & Gay & Trans Festival
2010
Graz - Diagonale, Festival des Österreichischen Films
London - BFI Flare LGBT Festival
Dublin GAZE Film Festival
Basel - Clair-obscur Filmfestival
Madrid - Semana de Cine Experimental
Copenhagen - Gay & Lesbian Film Festival
Freiburg - Freiburger Lesbenfilmtage
2013
Wroclaw - New Horizons Festival