Endeavour

Johann Lurfs Film Endeavour gleitet zwischen Dokumentation, Avantgardefilm und Science-Fiction. Diese höchst eigensinnige Kombination von Material und Techniken gibt dem Publikum ein Gefühl des Fliegens, da der Film ständig die Schwerkraft der Genres und fixen Definitionen umgeht. Lurf benutzt zwei NASA-Aufnahmen vom Start des Space Shuttle - eine bei Tag, eine bei Nacht - die den Hilfsraketen vom Abschuss bis zur Wasserlandung folgen. Jeder Start wird von insgesamt sechs Kameras gefilmt, die - je eine unten, in der Mitte und oben - auf beiden Hilfsraketen befestigt sind. Lurf montiert dieses gleichzeitig aufgenommene Material fortlaufend, wechselt von einer Kamera zur nächsten nach je neun Kadern, was drei Schnitte pro Sekunde ergibt. Die vollständige Tonspur des Starts bei Tag wird verwendet, und die Geräusche der jeweiligen Raketen sind auf dem linken und rechten Kanal verteilt, der Nachtstart bleibt stumm. Das Ergebnis ist eine "Phantom"-Tonspur, die das Publikum selbst aus dem Widerhall des ersten Starts komponiert.
Die strenge formelle Struktur des Films – die vom Ursprungsmaterial übernommen wurde – führt zu seiner unheimlichen und halluzinatorischen Wirkung, und Dokumentation wird dabei in Avantgarde-Kino verwandelt. Hier mischt sich Lurf in die Zeit selbst ein, die nicht mehr mit dem Filmmaterial synchron läuft: Scheinbar steht sie für sich selbst, im selben Takt wie der Schnitt, in einem Reigen, wo sechs Schritte seitwärts von einem vorwärts gefolgt werden.
Endeavour beschwört offensichtlich Science-Fiction, wobei der Film durch die Montage seiner extrem kurzen Narration zu einer rauen, heftigen Fahrt wird, die wenig mit der üblich zu erwartenden sanften Ästhetik und menschlichen Abenteuerlust von Weltall-Filmen aus Hollywood gemein hat. Zum Schluss produziert Lurf eine Art erhabenen Strukturalismus, indem er die Struktur des Ausgangsmaterials gegen sich selbst wendet, scheinbar fragmentiert und beschleunigt. Auf diese Weise schafft er eine intensive und überwältigende Erfahrung, in der die Zeit, die Wahrheit und letztlich unsere Perspektive selbst wirr und zerschlagen bleibt. Aus dieser Erfahrung kann jedoch auch etwas Anderes entstehen: eine pulsierende, halluzinatorische Wahrnehmung, losgelöst vom Bewusstsein, die vielleicht gerade deswegen in der Lage ist, den Kosmos zu erforschen.

(Stephen Zepke)


Das Spaceshuttle »Endeavour« dient nicht nur als wörtliches Sinn­bild für die menschlichen Anstren­gungen und Bemühungen, das Weltall zu erobern, sondern verkörpert diese auch im gleichnamigen Film. Mit einer strengen formalen Struktur verfolgt Lurf anhand von Videoaufnahmen der Antriebsra­keten den Start der Raumfähre bei Tag und Nacht und schafft zugleich ein nostalgisches Bild eines ausgeträumten Technikwahns.

(Dokumentarfilmwoche Hamburg)


Das Space Shuttle Endeavour hebt ab und fliegt in den Weltraum. Sechs NASA-Kameras haben den Vorgang dokumentiert, Lurf komponiert diese Aufnahmen zu einem Science-Fiction-Gedicht in einer Tag- und einer Nachtversion. Letztere ist stumm und entfaltet umso stärker den Schwebezustand im Raum, die Auflösung von Licht und Zeit in Einsamkeit und Weite. Die Schlussbilder von traumwandlerischer Poesie lassen kurz an die andere „Endeavour“ denken, an das Schiff von James Cook, an die archetypische Sehnsucht nach den unbekannten Räumen. An sie und an die verdichtende Kraft des Films.

(Verena Teissl, Viennale Katalog, 2013)


Aufrüttelnde Erfahrung - Die irritierendsten visuellen Eskapaden kamen in Graz bisher aus dem Experimentalfilmbereich: Johann Lurf verwandelt in Endeavour Start und Flug einer US-Raumfähre in einen zweigeteilten Trip in eine ganz bildliche Schwerelosigkeit, einmal als durchrüttelnde Körpererfahrung, einmal als surrealen Schwebezustand.

(Dominik Kamalzadeh, In: Der Standard, Printausgabe 26. März 2011)

Orig. Titel
Endeavour
Jahr
2010
Land
Österreich
Länge
16 min
Regie
Johann Lurf
Kategorie
Avantgarde/Kunst
Orig. Sprache
Englisch
Downloads
Endeavour (Bild)
Credits
Regie
Johann Lurf
Konzept & Realisation
Johann Lurf
Schnitt
Johann Lurf
Tonmischung
Nils Kirchhoff
Farbkorrektur
Andi Winter
Verfügbare Formate
DCP 2K flat (Distributionskopie)
Bildformat
16:9
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
29,97 fps
Farbformat
Farbe
Digital Betacam (Distributionskopie)
Bildformat
4:3
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
29,97 fps
Farbformat
Farbe
Festivals (Auswahl)
2010
Viennale - Vienna Int. Film Festival
2011
Rotterdam - Int. Filmfestival
Graz - Diagonale, Festival des Österreichischen Films
Wien - VIS Vienna Independent Shorts
Bradford - International Film Festival
Seoul - EXis (Experimental Film- & Videofestival)
Zagreb - 25fps Film & Video Festival
Jihlava Documentary Film Festival (Best Experimental Documentary)
Melbourne - Int. Film Festival
2012
Hamburg - Dokumentarfilmwoche
Tokyo - Ebisu Int. Festival