THE FACE – Storefront for Art & Architecture

The face is usually the expressive surface which marks a person´s identity. "Face" does not, however, just refer to the human face, but could also mean the face of a building: the façade that "adorns" a building. In Sasha Pirker´s so-named short film, shot on 16 mm using a hand-held camera, these two meanings come at one another from diametrically opposed positions. On one hand Pirker is trying to show the building as a whole, plucking out individual fragments in an entirely subjective manner; fragments which the viewer then has to piece together. One clue to this interpretation is a quote by the artist Birgit Baldasti which flashes up right at the start: "If I was a poet I´d say that pleasure lies in other people refining your own imagination." On the other hand Pirker selects the clips of the building such that the individual faces of the passers-by remain hidden. In THE FACE all entities, both architectural and human, exist without their primary identifying feature: their face. Metaphorically only the eyes, mouth, nose and ears of the architecture can be seen, while people are generally cut off, or are filmed in silhouette from behind.
The framing means that each image in the film just shows a clipping: here, there is no longer any suggestion of anything being shown as a whole. In Sasha Pirker´s view, the architectural elements are also given sculptural accents. At the same time, Pirker juggles with views from within and without, bringing out the limited, snippet-like view and precisely thus firing the imagination. Almost incidentally she also succeeds in connecting the gallery space and the street – the primary aim of the two men of action Vito Acconci and Steven Holl when they renovated the façade of the Storefront for Art and Architecture (NYC) in 1993.
(Dietmar Schwärzler)
Translation: Anne Koth

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Die Gesichter in den Falten von Gebäuden, Der Standard 13.11.2015 (Article)

Die Gesichter in den Falten von Gebäuden
BERT REBHANDL
Der Standard, 13. November 2015

Die Filme von Sasha Pirker und Lotte Schreiber bringen Architektur zum Sprechen – und treten mit ihr in Dialog. Einige davon präsentieren die Regisseurinnen demnächst unter dem Titel "Film Talks" im Mumok Wien – Ein offenes Fenster, ein Vorhang weht sanft im Luftzug; eine Stimme aus dem Off spricht darüber, wie man "sich selbst in einem Raum wahrnimmt": Das sind die wesentlichen Komponenten von Sasha Pirkers Film identical. Die Pointe am Ende der vier Minuten: Der Vorhang wird nach innen geweht und gibt so den Blick frei auf ein Gebäude auf dem Gelände der Chinati Foundation in Marfa, Texas.

Dort hat der Künstler Donald Judd einen Raum für Arbeiten von sich und geschätzten Kollegen geschaffen. Und dort war Sasha Pirker 2013 Artist in Residence. Spuren dieses Aufenthalts tauchen mehrfach in ihrem Werk auf, das sich mit den Beziehungen zwischen realem und filmischem Raum, zwischen politischem Gestaltungswillen und der "Sprache" von Gebäuden befasst.

Entzifferte Utopien
Ihre vielleicht bekannteste Arbeit heißt The Future Will Not Be Capitalist. Eine Parole, die so gar nicht zu Pirkers ruhiger "Entzifferung" der Zentrale der Kommunistischen Partei in Frankreich passen will, die Oscar Niemeyer in den späten 1960er-Jahren entwarf. Die Regisseurin spürt dabei den Geist der Utopie in einer Architektur auf, die durchaus deklamatorisch ist, ohne dass der Film selbst sich zu Ausrufezeichen hinreißen ließe.

Wer "spricht", wenn wir uns die Grenzen zwischen Räumen bewusst machen? Diese Frage schwingt auch im Titel jenes Abends mit, den das Mumok den beiden Filmemacherinnen Sasha Pirker und Lotte Schreiber widmet: Film Talks. Gesprochen wird dabei über Filme, die ihrerseits sprechen, sei es über Stimmen oder durch eine Kameraarbeit, die zum Sprechen bringt, was, etwa in Lotte Schreibers Domino, als tote Materie in der Gegend herumsteht: verwitterte Betonskelette in Griechenland, die noch poröser wirken in ruckartig schwankenden Bildern. Das Medium wird zur Außenhaut der Gebäude, einer Haut, die allerdings nicht eng anliegt, sondern Falten wirft und sich in Schwingungen versetzen lässt.

2015 haben Pirker und Schreiber gemeinsam einen Film gemacht – und dafür auf der Diagonale gleich den großen "Preis Innovatives Kino" bekommen: Exhibition Talks heißt ihre Erkundung eines schlanken, hohen Innsbrucker Baus Lois Welzenbachers aus den 1920er-Jahren, der lange Jahre eine Brauerei beherbergte. Heute gibt es dort einen Kunstraum, zu dessen Besonderheiten zählt, dass die hohen Bergketten um die Stadt ganz nahe zu sein scheinen.

"Alles ist öffenbar"
Auch in diesem Film wird in mehreren Hinsichten gesprochen: Die Räume werden zugleich von einer Off-Stimme und von den Bildern erläutert, die sich am manchmal beflissenen Tonfall der "Ausstellungsrede" ("alles ist öffenbar", "wir sind gewohnt, da reinzugehen" ...) zu reiben scheinen.

Offen ist auch das Programm Film Talks - kuratiert von Madeleine Bernstorff und den Filmemacherinnen – u. a. dank eines Gastbeitrags von Christian Ruschitzka (Höhenrausch, 2015). Zudem heißt es in der Ankündigung, dass "vielleicht noch der eine oder andere" weitere Film gezeigt werden könnte. Deutlich wird solche Offenheit schließlich auch in Pirkers kurzer Arbeit The Face, einer weiteren Architekturbeobachtung.

1993 gestalteten Vito Acconci und Steven Holler die Fassade der New Yorker Galerie Storefront for Art and Architecture. Bei Pirker bekommt diese – den Bildern nach kleine – Einlassung in ein Gebäude ein "Gesicht", kommuniziert. Die Regisseurin verzichtet dabei auf einen Text aus dem Off, stellt lediglich ein Zitat der Künstlerin Birgit Baldasti voraus, in dem von einer Fantasie die Rede ist, die sich "durch den anderen" vervollkommnen lässt. Auch dies wiederum ein Motiv, das sich in der Weise wiedererkennen lässt, in der Pirker und Schreiber das Medium Film benützen.

Zeichen hinter Jalousien
Man geht wohl nicht zu weit, wenn man mutmaßt, dass die Kunstsammlung, die Lotte Schreiber in evn collection – a kind of portrait, zeigt, in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den in jeder Hinsicht offenen Raumkonzeptionen steht, die in Film Talks zu sehen sein werden: Die Arbeiten zahlreicher bedeutender Gegenwartskünstler wirken in der gedämpften Atmosphäre des Energieanbieter-Firmensitzes wie stumme Zeichen einer anderen Ökonomie, wobei Cerith Wyn Evans mit seiner auf den Situationismus bezogenen, leuchtend roten Neonarbeit In Girum Imus Nocte et Consumimur Igni (dt. Wir schweifen des Nachts im Kreis umher und verzehren uns im Feuer) vielleicht den bissigsten Beitrag zu dieser mehrfach ambivalenten, repräsentierenden Kollektion beisteuert. Schreiber filmt sie zunächst durch Jalousien hindurch, denn auch für dieses "Porträt" gilt: Ihr Gesicht zeigen Gebäude und Institutionen nicht frontal, sondern in den Falten, die zwischen den Räumen entstehen. (Bert Rebhandl, Spezial, 13.11.2015)

derstandard.at/2000025610371/Die-Gesichter-in-den-Falten-von-Gebaeuden
Orig. Title
THE FACE – Storefront for Art & Architecture
Year
2011
Countries
Austria, USA
Duration
4 min
Director
Sasha Pirker
Category
Documentary
Orig. Language
No Dialogue
Credits
Director
Sasha Pirker
Concept & Realization
Sasha Pirker
Available Formats
Digital File (prores, h264)
Festivals (Selection)
2011
Viennale - Vienna Int. Film Festival