Running Sushi

Ein Dialog- Stück für zwei Akteure. Steffi und Johnny besuchen ein Running Sushi Restaurant. Schon während der ersten Unterhaltung explodiert eine performative Parallelwelt der unausgesprochenen Gedanken und Gefühle. Jedes Sushi evoziert eine Geschichte aus dem unbewussten Repertoire des zwischenmenschlichen Beziehungschaos. Wunschmaschinen werden angekurbelt um groteske Parallelwelten und Extremzustände zu generieren. Choreographie: Chris Haring. Liquid Loft.
(Produktionsmitteilung)

Was das Aquarium sah. "Wie sollen wir uns diese Diskrepanz zwischen der Einstellung des Menschen zum Innenleben und zur Außenwelt erklären. Warum wird sie in dieser Schärfe ausgebildet?" Im zeitgenössischen Mangahaushalt, durchzogen vom langsam sich wälzenden Laufband der Rohfischhappen des Alltags, krümmen sich die späten Nachkommen von Adam und Eva im gleichnamigen Kostüm unter mitleidlos über dem Geschehen hängenden Fischaugen. Der Blickpunkt liegt zumeist irgendwo knapp unter der nicht vorhandenen Decke dieser ebenso klaustrophoben wie uferlosen Wohnzimmer. Von da sieht man sich normalerweise ja nur bei einer Nahtoderfahrung. Aber diese animierten Zeitgenossen im nicht ganz ehelichen Clinch sind vermutlich nicht sterblich. Dazu sind sie zu aufgezogen. Und ausgezogen. Aber selbst ihre Nacktheit ist, was ist sie eigentlich? Nicht unschuldig. Und nicht aufreizend. Das angemessene fleischfarbene Kostüm für den knallenden Nahkampf. Das heimische Leben gedeiht auf neongrünem Kunstrasen. Künstlicher noch als der moderne Haushalt nach asiatischem Vorbild kriecht da ein unmöglicher Außenraum in das Innere der selbstverliebten Berührungsathleten.

"Ich glaube Tiefe ist ein Mythos."
Green Box, das wäre die Metapher für das neue Leben an der Oberfläche - wenn sie nicht so flach wäre. Wie soll ich meine Küche streichen? Die Green Box schenkt dir jeden Tag ein anderes Zimmer, Hirschen im Gegenlicht, raue Graffiti und gekacheltes Tonnengewölbe für die Disco daheim. Dann bist du selbst im Fernsehen oder das Aquarium schaut dich an. Durch ein Aquarium betrachtet ist alles drinnen und jeder sich selbst ausgeliefert. Hilflos kreischende Hyperventilation über die groteske Oberfläche aller Intimitäten, eine Huldigung an Donald und Tweety, diese Animationshelden ohne Privatleben; und ohne "private Teile". Die Comicfigur in uns lacht die Geschlechtsteile aus. Das hätte sich Anna Freud nicht träumen lassen ...
(Katherina Zakravsky)

Mara Mattuschka zählt zu Österreichs bedeutendsten FilmemacherInnen und PerformancekünstlerInnen. Bekannt sind auch ihre Ölbilder, großteils Selbstporträts, die in extremer Nahsicht (nackte) Körper in verschiedensten Verrenkungen zeigen. Diese eigentümliche Perspektive, die Nähe zum Körper überträgt die Lassnig-Studentin auch in ihre Kurz- und Experimentalfilme, für die sie seit 2005 immer wieder mit dem Tänzer und Choreographen Chris Haring zusammenarbeitet.
Wie sollen wir uns diese Diskrepanz zwischen der Einstellung des Menschen zum Innenleben und zur Außenwelt erklären? Warum wird sie in dieser Schärfe ausgebildet? Mit dieser Frage konfrontiert sie, die nackte Tochter Evas, den gleichfalls nackten ihn, Adams Sohn, während im wohnlichen Ambiente das Sushi am Förderband vorbeifährt. Mit jedem Stück rohen Fisch eröffnet sich eine Parallelwelt, in der das Paar sein Beziehungschaos voller unausgesprochener Gedanken und Gefühle, v.a. aufgestauter Aggression, auslebt. Dabei beinhalten die Kampfszenen der Protagonisten einen ironischen Beigeschmack und erinnern aufgrund des unterlegten Comic-Tons und der Tatsache, dass sich die beiden nie wirklich berühren, stark an klamaukartige Kung-Fu- oder Westernfilme.
(Gunda Achleitner)

Weitere Texte

Short Text

A couple is dining in a sushi restaurant when a fight breaks out between them. This takes place somewhere in a fantasy world, just beyond their desires, where the colours are brighter, the screams are more shrill and the situations more extreme. Every dish that passes on the conveyor belt becomes a pretext for verbal and gestural jousting, choreographed and handed on a plate, as in a video game.
Paris - Hors Pistes catalogue 2009

Jury Statement Diagonale Graz (Preis (Auszeichnung))

We can control our external behavior to the extent that we do not go for each other's jugular in the middle of a conversation. However, Running Sushi demonstrates what is happening at the same time on the inside, as revealed by uncontrollable spasms. The camera records the most minute twitches and acts as the membrane between the internal and the external. To quote Mara Mattuschka: "One has to run in place to avoid being pulled backwards."

jury statement: Award for Innovative Cinema / Diagonale, Festival of Austrian Film 2008

Die Choregografie verschiebt Perspektiven, die filmische Transformation akzentuiert die Verschiebung

Brigitta Burger-Utzer über 3 Filme von Mara Mattuschka mit Chris Haring - Legal Errorist (2005), Running Sushi (2008) & Burning Palace (2009)

Link: http://www.perfomap.de/map8/intermediale-prozesse/die-choreografie-verschiebt-perspektiven-die-filmische-transformation-akzentuiert-die-verschiebung/die-choreografie-verschiebt-perspektiven#_ftnref2
Orig. Titel
Running Sushi
Jahr
2008
Land
Österreich
Länge
28 min
Kategorie
Avantgarde/Kunst, Performance
Orig. Sprache
Englisch, Deutsch
Credits
Regie
Mara Mattuschka, Chris Haring
Kamera
Josef Nermuth
Sound
Glim
Schnitt
Mara Mattuschka
2 D Animation
Mara Mattuschka, Josef Nermuth
Darsteller*in
Stephanie Cumming, Johnny Schoofs
Mit Unterstützung von
Wien Kultur, Innovative Film Austria
Verfügbare Formate
Digital File (prores, h264) (Distributionskopie)
Bildformat
16:9
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
Farbe
DCP 2K flat
Bildformat
1:1,78
Festivals (Auswahl)
2008
Oberhausen - Int. Kurzfilmtage
Graz - Diagonale, Festival des österreichischen Films (Preis für Innovatives Kino)
Rio de Janeiro - Femina Women Film Festival
Montréal - Festival du Nouveau Cinéma
Madrid - Semana de Cine Experimental
Grand Rapids (USA) - Bearded Child Film Festival
Prizen/Kosovo Dokufest Doc Film Festival
2009
Rotterdam - Int. Filmfestival
Hamburg - Int. Kurzfilm-Festival & No Budget
Stuttgart - Filmwinter, Expanded Media Festival (Publikumspreis)
San Francisco - Golden Gate Award Int. Film Festival
Paris - Hors Pistes Festival au Centre Pompidou
Wroclaw - WRO-International Media Art Biennale
Seoul - EXis (Experimental Film- & Videofestival)
Split - Festival of New Film and Video
2010
Chennai - Women's Film Festival