Hernals

In Hernals wurden dokumentarische und pseudodokumentarische vorgänge jeweils von zwei kameras gleichzeitig von verschiedenen blickpunkten aus aufgenommen. dieses material wurde in seine einzelnen bewegungsphasen zerlegt. in der montage wurde jede phase verdoppelt. die dabei verwendeten techniken variieren. der ton wurde ebenfalls verdoppelt, auch hier mit verschiedenen techniken. zwei verschieden wahrgenommene wirklichkeiten, eben aus den bedingungen des films, werden zu einer synthetischen wirklichkeit montiert, wo alles wiederholt wird. diese verdoppelung zerstört das postulat: identität von abbild und bild. verlust der identität, verlust der wirklichkeit (cf. schizophrenie). man stelle sich ein theaterstück vor, wo die akteure jeden satz zweimal sagen, jede geste zweimal machen, jede szene zweimal spielen und man begreift vielleicht die ungeheuerlichkeit unserer wirklichkeit, in der nichts wiederholbar ist. zeit wird nicht angehalten, doch verlängert, zeit als riß zwischen abbild und bild, zeit die raum schafft. (Peter Weibel)

Weitere Texte

Thomas Korschil zu Hernals von Hans Scheugl

In Hernals, mit Valie Export und Peter Weibel, interessiert die Möglichkeit oder Unmöglichkeit Ereignisse in der Welt gleichzeitig von verschiedenen Blickpunkten wahr- und aufzunehmen. Was der Spielfilm uns seit Ewigkeiten gnadenlos vorexerziert, wird hier beim Wort (d. h. Bild) genommen, mit dem bedeutenden Unterschied allerdings, daß Scheugl durch Wiederholung (Verdopplung) der illusionistischen Kontinuität (des Spielfilms) entsagt, um so (s)eine eigene Wirklichkeit zu synthetisieren. (1993)

Der lebendige Realismus dieser Montage (pseudo)dokumentarischer Alltagsszenen wird nicht durch eine direkte Manipulation des fotografischen Abbilds in Frage gestellt. Zum originär filmischen Ereignis wird Hernals durch einen drastischen Eingriff in die zeitliche Ordnung der abgebildeten Vorgänge: Die einzelnen Szenen werden, in Fragmente zerteilt, jeweils zweimal gezeigt, nicht als idente Wiederholungen, sondern in zwei verschiedenen, gleichzeitig aufgenommenen Kameraperspektiven. Die resultierende Parallelmontage sprengt das enge Korsett des konventionellen Kinos räumlich, indem der eine, privilegierende Blickpunkt aufgegeben wird und zeitlich, indem die illusionistische (Spielfilm-)Kontinuität ignoriert wird. Bewegungen und Sprachfetzen werden wiederholt, der Lauf der Zeit auf befremdende Weise unterbrochen und zerdehnt. (1995)

Stefan Grissemann on Hernals by Hans Scheugl

In the opening seconds of Hans Scheugl's Hernals, we see Valie Export in the entrance hall of a Viennese apartment house. Filmed by two cameras, she steps out of the house and slams the door thunderously behind her. On screen, she does this twice, although in real life, she only did it once; both cameras, one positioned in the house, and the other outside on the street, provide evidence of the opposite - and the artificial reality of cinema. A tram crosses the frame in a shot, which is also a look back at the Vienna of 1967; a scene, again recorded from two perspectives, between which the film-maker darts to and from. Workers, passersby, children playing on a sunny day, staged actionism by a protagonist named Peter Weibel; Scheugl takes all of this and makes a montage constituting a new, mechanical, humanly impossible, cut-up reality. Film-machine architecture.
Perhaps as a reaction against his own one-take car travel, Wien 17, Schuhmanngasse, Scheugl here breaks up real time, doubles it for the cinema, turns trivial reality into an alien and completely un-trivial ballet of random (and randomly filmed) movements, into a musical composition of repeated, rhythmic, interlinked scraps of dialogue, and the roaring mechanical cadence of street traffic.
This is the modern dance of the cutting table choreograph, or a terse, precisely composed and fast-moving avant-garde fairy-tale from the Thousand and One motion picture miniatures.
Orig. Titel
Hernals
Jahr
1967
Land
Österreich
Länge
11 min
Regie
Hans Scheugl
Kategorie
Avantgarde/Kunst
Orig. Sprache
Kein Dialog
Downloads
Hernals (Bild)
Credits
Regie
Hans Scheugl
Kamera
Robert Gigel, Peter Klein, Hans Scheugl
Ton
Kurt Novacek
Darsteller*in
Peter Weibel, VALIE EXPORT
Verfügbare Formate
16 mm (Originalformat)
Bildformat
1:1,37
Tonformat
Mono
Bildfrequenz
24 fps
16 mm (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,37
Tonformat
Mono
Bildfrequenz
24 fps
DCP 2K flat (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,37
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
Farbe
Digital File (prores, h264) (Distributionskopie)