Elefantenhaut

Elfi arbeitet in einer Druckerei. Am Fließband stapelt sie Prospekte, und wenn die Mutter am Mobiltelefon anruft, muss Elfi schreien, weil die Maschinen so laut laufen. Elfi ist um die Fünfzig und teilt mit der Mutter eine kleine Wohnung in der niederösterreichischen Provinz. Nach Feierabend pflegt sie die alte Frau, die ständig Wünsche und Beschwerden, aber nie ein gutes Wort für die Tochter übrig hat.

Im Lauf der Jahre hat sich Elfi eine Schutzschicht zugelegt, eine Elefantenhaut. Kaum je verzieht sie eine Miene, doch hinter Elfis pragmatischem Auftreten verbirgt sich ein sehnsuchtsvoller Mensch: Heimlich verliebt in einen jüngeren Kollegen folgt sie eines Abends dessen Einladung in die Diskothek "Brooklyn". Dort lässt zwar der Kollege auf sich warten. Dafür zeigt Ricardo, ein bereits stark alkoholisierter Elvis-Imitator Interesse an Elfi. Der Abend nimmt seinen Lauf, und während daheim die Mutter in der Badewanne vergeblich auf die slowakische Pflegehilfe wartet, macht Ricardo Elfi auf dem Disko-Parkplatz ihr Hin- und Hergerissen-Sein, zwischen der Verantwortung für andere und der für das eigene Glück, schmerzhaft bewusst.

Fiala / Putzers Halbstünder fühlt sich streckenweise an wie eine dokumentarische Beobachtung. Man spürt, dass einige der mundartlichen Wortwechsel von den (Laien-)Darstellern improvisiert sind: Elfriede Schatz, die auch im "echten Leben" als Angestellte bei der Druckerei arbeitet, verleiht dem sanftmütigen Stoizismus der Elfi beeindruckende körperliche Präsenz. Begleitet von einer wendigen Handkamera, ist sie das Herz des Films: eine stämmige Frau mit blondierter Dauerwelle. Eine, wie man sie im Laden um die Ecke beim Einkaufen trifft und wohlmöglich gleich wieder vergisst. Elfi jedenfalls vergisst man nicht: In ihrer selbstmitleidslosen Melancholie rührt sie fast zu Tränen. Dabei ist Elefantenhaut kein trauriger Film. Denn das Wichtigste kann Elfi sich stets bewahren: die eigene Integrität und Würde.

(Maya McKechneay)


Elfi lebt am Land und hat Probleme. Sie muss sich um ihre Mutter kümmern, die sich nur von ihr und nicht von der Pflegerin helfen lässt. Sie arbeitet am Fließband in einer Druckerei und ist in einen viel jüngeren Arbeitskollegen verliebt. Er will aber nichts von ihr wissen, auch nicht auf der Firmen-Weihnachtsfeier. Dort tritt Alleinunterhalter Ricardo auf und hinterlässt einen bleibenden Eindruck, besonders bei Elfi. Der Arbeitskollege lädt sie am nächsten Tag zwischen Tür und Angel in die Disko ein.



Elfi freut sich, macht sich für den Abend zurecht. Ihre gehbehinderte Mutter liegt währenddessen in der Badewanne und keppelt, so lange bis es Elfi reicht und sie abhaut. Die Mutter bleibt allein in der Wanne zurück.



In der Disko ist weit und breit kein Arbeitskollege zu sehen. Stattdessen trifft sie Ricardo wieder. Er ist betrunken und macht sich an sie heran. Nicht, dass sie wollte, aber eine Abwechslung, vielleicht keine Angenehme. Eine lange Nacht mit Elvis, Jägermeister und dem Devil in Disguise ...

(Produktionsnotiz)

Weitere Texte

Uppsala Grand Prix - Jury Statement (Preis (Auszeichnung))

Uppsala Short Film Festival 2009: INTERNATIONAL COMPETITION

Uppsala Grand Prix to:

ELEFANTENHAUT by Severin Fiala, Ulrike Putzer

"The jury got blown away by this realistic and original portrait of a working-class anti-hero. A character so humble, plain yet beautiful, driven by the desire to explore life on her own. Standing her ground with dignity although undergoing continuous criticism by her loving mother. This uncomfortable situation comedy, very true to life, makes us eager to discover the next project of these filmmakers."

Jury: Lars Diurlin, João Garção Borges, Joke Liberge, Barbara Orlicz-Szczypula, Lotten Sundgren.

Salzburg 09: film:riss Festival, Jurybegründung (Preis (Auszeichnung))

film:riss 2009
FÖRDERPREIS „ARBEITSWELTEN“ DER AK SALZBURG: Elefantenhaut (Severin Fiala und Ulrike Putzer, Filmakademie Wien, 2009, 34 min)


Jurybegründung:

“Elefantenhaut” zeigt Ausschnitte aus dem Leben von Elfi, um die Fünfzig, Arbeiterin in einer Druckerei, alleinstehend. Am Fließband stapelt sie Prospekte. Sie teilt sich mit ihrer Mutter eine kleine Wohnung. Nach Feierabend pflegt sie die gehbeeinträchtigte alte Frau, die ständig Wünsche und Beschwerden, aber nie ein gutes Wort für die Tochter übrig hat.

Im Lauf der Jahre hat sich Elfi eine Schutzschicht zugelegt, eine Elefantenhaut. Kaum je verzieht sie eine Miene, doch hinter Elfis pragmatischem Auftreten verbirgt sich ein sehnsuchtsvoller Mensch. Eines Abends folgt sie der Einladung eines jüngeren Kollegen, in den sie heimlich verliebt ist, in die Diskothek Brooklyn. Elfi freut sich, macht sich für den Abend zurecht, währenddessen ihre Mutter in der Badewanne kein gutes Haar an ihr lässt.

In der Disko ist weit und breit kein Arbeitskollege zu sehen, aber Elfi trifft Ricardo, beinahe das Klischee eines heruntergekommenen Unterhaltungskünstlers, den sie bereits von der Firmenweihnachtsfeier kennt. Und sie trifft die slowakische Heimhilfe, die eigentlich an diesem Abend die Mutter betreuten sollte. Ricardo ist betrunken und macht sich an Elfi heran. Später im Auto ist Elfi hin- und hergerissen von der Verantwortung für andere und ihrem eigenen Glück. Schließlich fährt sie doch zur Mutter. Als sie dort die Heimhilfe vorfindet, macht sie sich wieder auf den Weg.

“Elefantenhaut” zeigt die Lebenssituation einer Frau um die Fünfzig, gefangen in der Verschränkung von Erwerbssituation und vielfältiger Versorgungspflichten. Damit widmet sich der Film einer Form von weiblicher Lebensrealität, die bislang wenig filmische Beachtung fand.

Jeder Ausbruchsversuch aus der Alltagstristesse scheint fast vorprogrammiert zum Scheitern. Ohne appellativ zu sein, bringt der Film mit seinen (Laien-)darstellerInnen ein weiteres Thema zur Sprache: Je geringer der sozioökonomische Status, umso prekärer sind die Versorgungspflichten.

Die Jury hat sich daher einhellig für die Vergabe des Sonderpreises „Arbeitswelten“ der AK Salzburg an „Elefantenhaut“ ausgesprochen.

Elefantenhaut

Der Halbstünder "Elefantenhaut" der Filmstudenten Ulrike Putzer und Severin Fiala läuft nächste Woche im Wettbewerb der renommierten Kurzfilmtage Oberhausen.

Sie sind "schon ein wenig nervös" geben die Filmstudenten Severin Fiala (*1985) und Ulrike Putzer (*1982) zu. Österreichische Beiträge schaffen es nämlich nicht oft in die Konkurrenz des wichtigsten deutschen Kurzfilmfestivals, der Kurzfilmtage Oberhausen. Heuer sind es sogar drei – die beiden anderen kommen allerdings von renommierten Namen: Mara Mattuschka und Josef Dabernig. Putzer und Fiala haben mit dem 33-Minüter Elefantenhaut hingegen nach mehreren Filmübungen ihr "erstes wirklich persönliches Projekt machen können". Elefantenhaut ist eine stimmige Charakterstudie aus der Provinz: Druckereiarbeiterin Elfi hat Liebeskummer und Probleme mit der renitenten, pflegebedürftigen Mutter. Eines Abends flieht sie in die Disco, wo sie ein Entertainer mit Elvis-Faible (famos: Michael Thomas aus Import/Export) belagert.

Keim des Films war ein Drehbuch über einen Autobastler, den ein Freund Fialas spielen sollte: "Als alles fertig war, war er verschwunden." Die Suche nach Ersatz dauerte fast ein Jahr. An den Abenden klapperten Putzer und Fiala Tankstellen und Racingbahnen ab, auch Auto-Tuning-Treffen mit wahren Bastelenthusiasten. Das Casting war problematisch. Die drei häufigsten Gegenfragen, wenn man jemanden fragt, ob er in einem Film mitspielen wolle: 1) "Wird das ein Porno?" 2) "Muss ich mich ausziehen?" 3) "Was zahlt´s ihr?"

Schließlich fand sich eine perfekte Protagonistin in der Druckereiangestellten Elfriede Schatz, die Fiala vom Rotkreuzdienst in seiner Heimatstadt kennt. Ein neues Drehbuch wurde entworfen und in zwölf Tagen verfilmt. Beim Dreh hätte sich Laiendarstellerin Schatz als "unzerstörbar" erwiesen, sagt Fiala: "Einmal waren wir bis fünf Uhr Früh in der Disco, um sechs Uhr musste sie wieder auf sein, um sieben im Büro." Die Disco war dafür unterbesetzt: "Es war zwar Samstagabend, aber bei der Konkurrenz gab es eine Hot-on-Ice-Party. Trotzdem haben sich genug Leute einfach vor die Kamera gestellt und in Großaufnahme hineingewinkt." Das kommt teuer, gerade wenn man wie Putzer und Fiala auf Zelluloid und in langen Einstellungen dreht: Die große Szene zwischen Elfi und Michael Thomas im Auto vor der Disco dauert fast eine Filmrolle lang ohne Schnitt. "Beim ersten Mal kamen knapp vor Schluss Randalierer, damit war eine ganze Rolle im Eimer: Und die kostet inklusive Entwickeln allein schon 300 Euro."

Zwar hätte es "relativ viel Förderung" gegeben, aber der Großteil davon wanderte in die Technik. Eventuelle Preisgelder – heuer gab es schon den Pluch-Drehbuchförderpreis bei der Diagonale – dienen zum Abdecken der Kosten, viele Rechnungen kommen erst jetzt. So ist nun für die Projektion in Oberhausen eine wirkliche Filmkopie gezogen worden: "Wenn die Förderung für die Festivalkopie hereinkommt, sollten wir wenigstens allen anderen Beteiligten ihren Aufwand ersetzen können." Fabry

Christoph Huber in: DIE PRESSE (Print-Ausgabe) vom 26.4.2009
Orig. Titel
Elefantenhaut
Jahr
2009
Land
Österreich
Länge
34 min
Kategorie
Kurzspielfilm
Orig. Sprache
Deutsch
Untertitel
Englisch
Downloads
Credits
Regie
Ulrike Putzer, Severin Fiala
Drehbuch
Severin Fiala, Ulrike Putzer
Kamera
Harald Traindl
Sound
Nikolaus Eckhard
Schnitt
Ulrike Putzer
Ton
Jakob Pretterhofer
Schnitt
Severin Fiala
Darsteller*in
Waltraute Bartel, Michael Thomas, Oliver Rosskopf, Elfriede Schatz, Natalija Baranova
Produktion
Severin Fiala, Filmakademie Wien, Ulrike Putzer
Produzent*in
Severin Fiala
Mit Unterstützung von
Innovative Film Austria, Verein der Freunde der Filmakademie Wien
Verfügbare Formate
Digital File (prores, h264)
35 mm (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,66
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
Farbe
Festivals (Auswahl)
2009
Salzburg - Film:Riss Kurzfilmfestival (Beste SpielfilmFÖRDERPREIS „ARBEITSWELTEN“ DER AK SALZBURG)
Oberhausen - Int. Kurzfilmtage (Preis der Ökumenischen Jury+ Lobende Erwähnung der Jury des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen)
Wien - FAK Int. Studenten Film Festival (Preis für beste Hauptdarstellerin, beste Produktionsleistung und bestes Drehbuch.)
Wien - VIS Vienna Independent Shorts
Graz - Diagonale, Festival des österreichischen Films (Thomas Pluch Drehbuchpreis / Förderpreis)
Sarajevo - Int. Film Festival
Sao Paulo - Short Film Festival
Barcelona - L’ALTERNATIVA - II Mostra Internacional de Cinema Alternatiu
Leuven - Short Film Festival
Uppsala - Int. Short Film Festival (Uppsala Grand Prix)
Cork - Int. Film Festival (Award of the Festival for Best Short)
2010
Istanbul - Int. Short Film Festival
Solothurn - Filmtage
Trondheim - Minimalen Short Film Festival
Angers - Premiers Plans
Buenos Aires Festival Int. de Cine Independiente BAFICI
Lissabon - Indielisboa Int. Film and Videofestival
Rotterdam - Int. Filmfestival
Brive - Rencontres du Moyen Mètrage
Bukarest - NexT International Short Film Festival
Milano International Film Festival