Me, myself and I

Die Dreiheit im Titel sagt im Prinzip schon alles: dass Identität im digitalen Zeitalter, zumal unter entsprechenden Bildproduktions- und Reproduktionsverfahren, einer unablässigen Vervielfachung ausgesetzt ist. Oder anders ausgedrückt: dass das Ich, man kann es auch das „digitale Subjekt“ nennen, inzwischen einer technologisch befeuerten Spaltungstendenz unterliegt, die gleichwohl von einer wolkigen Einheitsillusion eingehüllt ist.
Claudia Larchers „Me, myself and I“ macht nichts weniger, als dieses Aufsplitterungs- und gleichzeitige Resynthetisierungsmoment in eine produktive Kollision miteinander zu führen. Die Versuchsanordnung dafür ist so einfach wie bestechend: Larcher hat ein GAN (Generative Adversarial Network) mit 350 Fotografien ihrer selbst (bis zum Alter von 24 Jahren) gespeist, woraus ein kontinuierlich sich verformender Bilderfluß entstand, in dem noch weitere, über die Originalfotos hinausgehende Identitätsansichten enthalten sind. Babyface, Mädchenkopf, junge Frau, fast forward ins hohe Alter und wieder zurück zum Kleinkindhaften – das alles in einem unentwegt vor sich hin morphenden, das Eine unmerklich im Nächsten aufgehen lassenden Strom. Inszeniert wird so ein digital vermitteltes Werden, das zu gleichen Teilen ein produktives Verschwinden wie eine ständige Neuerschaffung anzeigt – die Löschung alles Vormaligen, bis hin zu kompletter Abstraktion, bei gleichzeitiger Neukonstitution und Vorwegnahme des noch Kommenden. Groteske Deformation trifft auf fratzenhafte Refokussierung, organisch-synthetisch-hybrid, wobei wiederholt auch eine lachhafte Gesichterkomik aufblitzt, wie man sie von Snapchat- und anderen Bildbearbeitungsfiltern kennt.
Dass all dem keine wie immer geartete Mastererzählung zugrunde liegt, darüber, was KI kann oder möglicherweise will, belegt die Tonspur. Hier hat Larcher Dialoge, die sie mit diversen Chatbots über Identität geführt hat, zu einem Skript verarbeitet, das Bruchstücke der Ich-Wahrnehmung multidirektional miteinander verschaltet. Die „reflexive Selbstreferenz“, die dabei immer wieder als Kern jeder Identität angesprochen wird, ist womöglich selbst nicht mehr als ein Platzhalter für eine nicht im Zaum zu haltende Vielheit. Oder für den Rand einer Nichtexistenz, der sich in den munter vor sich hin delirierenden Porträtfetzen ebenso betörend ausdrückt. (Christian Höller)

Orig. Titel
Me, myself and I
Jahr
2022
Land
Österreich
Länge
5 min 30 sek
Kategorie
Avantgarde/Kunst
Orig. Sprache
Kein Dialog
Credits
Regie
Claudia Larcher
Konzept & Realisation
Claudia Larcher
Verfügbare Formate
DCP 2K flat (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,78
Tonformat
5.1 surround
Bildfrequenz
30 fps
Farbformat
Farbe
Digital File (prores, h264) (Distributionskopie)
Festivals (Auswahl)
2023
Jihlava - International Documentary Festival
Québec - Festival de cinéma de la ville de Québec - FCVQ
Wien - sound:frame international festival
Wien - VIS Vienna Shorts
Graz - Diagonale, Festival des österreichischen Films
Wien - Tricky Women / Tricky Realities - Int'l Animation Filmfestival