ANQA

Ein kleiner Gasofen springt an und spendet Wärme. In Helin Çeliks ANQA sind Gewaltgeschichte, weibliche Biografien und die Darstellung einer persönlichen „Safe Zone“ eng miteinander verwoben. Die „Safe Zone“ sind Wohnungsräumlichkeiten, in denen drei Frauen aus dem Nahen Osten, die Missbrauch und häusliche Gewalt erfahren mussten und sich dagegen radikal auflehnten, endlich Ruhe gefunden haben.  

Eine von traumatischen Erinnerungen beeinträchtigte Ruhe allerdings: Skizzenhaft beschreiben die Protagonistinnen Eindrücke ihrer Leiderfahrungen und das damit verbundene Gefühl der Ausweglosigkeit, das sie nächtens noch manchmal heimsucht; das sie aber auch Maßnahmen ergreifen ließ, die sie aus sozialen Gemeinschaften ausgeschlossen haben. Sie wurden als „verrückt“, als „Überbleibsel einer Frau“ bezeichnet. Das Leben, ihr Überleben, wird in der Beschränkung auf Fragmente als schwer erkämpftes fassbar, die Geschichten müssen nicht eigens reproduziert werden.  

Zugleich beschreibt Çelik einen Raum, aus dem die „Kälte“, die eine Frau noch „unter der Sonne befiel“, dieses „Untergrund-Gefühl“, entweichen kann. Die Kamera von Raquel Fernández Núñez geht nahe an die Gesichter heran, fängt aber auch körperliche Zuwendungen ein, Details von Händen oder Füßen, die einander berühren. Die Innenräume sind in warmen Farben gehalten, Decken und Vorhänge, die in einer Szene über eine Küchenfront erst aufgezogen werden, konterkarieren die Rekapitulation des Vergangenen. Geglättet werden die Stoffe jedoch nicht, es bleiben Falten, harte Schnittkanten, es gibt surreale Störmomente: ANQA beschreibt keine falsche Geborgenheit, sondern schafft einen poetischen Assoziationsraum, in dem noch die „Care“-Tätigkeiten der Frauen von der Ambivalenz zeugen, die diese dem Leben gegenüber empfinden. (Dominik Kamalzadeh)   

Trailer
Weitere Texte

Oslo Mirage Documentary Film Festival: Best Cinematography ANQA (Preis (Auszeichnung))

Oslo Mirage Documentary Film Festival 2023: Best Cinematography ANQA (Raquel Nuñez)
Mátyás Erdély
jury statement reads as follows:

I just had the privilege to watch four extraordinary films.
Each of them beautiful in their own way.
The way the filmmakers treated the people in front of the camera. The sensibility with which they approached them.

Coming from the world of narrative filmmaking what we are aiming for is to create truthful moments, scenes and characters. We want to create images that are made with the outmost care and empathy. All of these films were heartbreakingly beautiful and achieved what only the best of cinema  can achieve:
It made me care about these people in a profound way. The hardships of the village people of El Eco, the determination of Zoe Lucas of Sable Island, the traumas of the women of the smoke sauna and the suffering of the three women in Jordan.

I found all four movies very IMPORTANT films. Films we will refer to in years to come for their empathy and sensibility.

One film stood out for me with its boldness, in the way it formulated its own lyrical language throwing away everything unnecessary to focus on its characters like a laser beam.
Nothing fancy, nothing pretty.
Images that told the story as powerful as the images in the era of silent films.  
Without hesitation, in full confidence in its approach. Brilliant filmmaking.

I would love to present the 2023 MIRAGE Cinematography Award to the film:

ANQA
Cinematography by Raquel Fernández Núñez

ARTE-Dokumentarfilm Preis Duisburger Filmwoche 2023 / Jury-Begründung (Preis (Auszeichnung))

Duisburger Filmwoche 2023
ARTE DOKUMENTARFILMPREIS

Begründung der Jury ->>

Der Film erzählt sich wie ein Mosaik. Stück für Stück erschließt sich eine Situation, die ganz buchstäblich verkörpert wird. Einrichtung, Farbe, Räume, alltägliche Verrichtungen erscheinen aus einem übermenschlichen großen Ganzen heraus vergrößert zu sein. Visuell balanciert der Film dadurch eine notwendige Abstraktion und Distanz.
Denn die drei Frauen, die allmählich aus den Details hervortreten, haben ein Ausmaß an Gewalt erfahren, über das der Film nicht informieren möchte. Behutsam und kompetent richtet die Filmemacherin Helin Çelik ihre Fragen an ihren Protagonistinnen aus. Es geht um sie.
Intensiv erlebbar ist das Ringen um Worte und innere Bilder. Berührung und Berührtsein. Die übermächtige Erzählung der Traumata werden – ohne sich zu offenbaren – spürbar umgeschrieben. Ein Kraftakt.
Am Ende wird eine der Frauen erkennen und aussprechen: „Ich existiere!“

Jury: Enoka Ayemba, Christiane Büchner, Stefanie Gaus

Orig. Titel
ANQA
Jahr
2023
Länder
Österreich, Spanien
Länge
91 min
Regie
Helin Çelik
Kategorie
Dokumentarfilm
Orig. Sprache
Arabisch
Untertitel
Englisch, Spanisch
Downloads
ANQA_01 (Bild)
ANQA_02 (Bild)
ANQA_03 (Bild)
Credits
Regie
Helin Çelik
Kamera
Raquel Fernández Núñez AEC
Musik
Nadim Husni, Victor Jann Nasri Bahdousheh
Ton
Maitane Carballo Alonso, Lara Zakhour
Schnitt
Sara Fattahi
Sound Design
Nicolás Tsabertidis
Produktion
Kepler Mission Films S.L.
Produzent*in
Helin Çelik, Rebeca Sánchez López
Mit Unterstützung von
Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport / Federal Ministry for Arts, Culture, the Civil Service and Sport, Zukunftsfonds Republik Österreich, Generalitat de Catalunya Departament de Cultura, Institut Catalá de les Empreses Culturals, Stadt Wien
Verfügbare Formate
DCP 2K flat (Distributionskopie)
Bildformat
16:9
Tonformat
5.1 surround
Farbformat
Farbe
Festivals (Auswahl)
2023
Berlin - Intern. Filmfestspiele Berlinale - Forum
Skopje – Int’l Cinematographers’ FF Manaki Brothers
Istanbul International Film Festival
Kassel Dokumentarfilm & Videofestival
Duisburg - Duisburger Filmwoche (ARTE Dokumentarfilmpreis)
Porto - Post Porto Doc
Gijon - International Film Festival
Oslo - MIRAGE Film Festival for the Art of the Real (Beste Kamera)
Viennale - Vienna Int. Film Festival
Sibiu - Astra Documentary Film Festival
2024
Graz - Diagonale, Festival des österreichischen Films (Grosser DIAGONALE PREIS Dokumentafilm + Bester Schnitt)
Ann Arbor - Film Festival