Me Thing - You Dog

Kompilation aus Videoeinzelstücken; enthält u.a.: Intimacy (1-4), Das mit dem Verl., Chickenwalk - Head Talk, Hat es/hat es nicht, Me Thing - You Dog.

ME THINK - YOU DOG.
ZU DEN VIDEOSTÜCKEN VON SABINE MARTE
Die Akteurin tritt über die Schwelle ins Medium "Video", ist sofort unmittelbar präsent, spricht die betrachtende Person direkt an. Die Vermittlungsgeschichte des Gegenstandes "Kamera" ist die Herstellung einer Welt der Bilder, in der die Körper verkehrt sind.
"Die Menschen sind nicht mehr so sehr in Geschichten verstrickt als in Bildern von Gesten und Situationen verfangen, ... der eherne Gang der Dinge und der freie Lauf der Phantasie sind überkreuz geraten. Nun erscheint die Wirklichkeit als freier Fall".

(Dietmar Kamper)


Für Sabine Marte hat ihr Umgang mit der Videokamera etwas zu tun mit dem, wie sie mit den Dingen umgeht. Gegenstände werden gesehen, gefunden, aufgelesen, mitgenommen oder sind geschenkt worden. Objets trouvées. Sie sind aus ihren funktionellen Zusammenhängen gefallen und scheinen für sich zu sprechen. Der Akt der Annäherung an die Gegenstände ist eine Distanzsetzung zwischen Ding und Zeichen, eine Aneignung dieser Vermittlungsgeschichten, um sie in eine eigene Sprache zu übersetzen, den Objekten einen eigenen Werkzeugcharakter zu geben. Die Objekte bleiben Material und werden das Rohmaterial für Stücke von Sabine Marte.
Die Kamera ist ebenfalls Werkzeug und Instrument und Verstärker. Filmische Mittel werden äusserst sparsam eingesetzt: Manchmal eine subjektive Kamera, meistens eine feststehende Kamera, die ein Agieren in unterschiedlichen Schärfebereichen ermöglicht. Verzerrungen und Unschärfen ergeben zusätzliche Gestaltungsmittel.
Die Agierenden der Stücke sind Gegenstände, und der Körper ist Körper-als-Widerstand. Die Kamera hat zwar ebenso Materialcharakter, aber ihre "Vermittlungsgeschichte" als dem fremden Blick Einblick ermöglichender und quasi "Bilder generierender" Apparat erfordert einen radikal anderen Umgang.
"I don´t have a personal relationship to this thing here" ist in einem der Videostücke zu hören, in dem die Akteurin auf die Kamera wie auf eine Trommel schlägt. Gegenstand und Körper-als-Widerstand werden vom vom Kopf auf die Füße gestellt, die Störung der Bilder als performativ-poetische Akte vollzogen, deren Strukturelemnte sich folgendermaßen beschreiben lassen:

Agens 1: Der Körper der Akteurin ist nicht Gegenstand sondern Widerstand. Er tritt nie ganz ins Blickfeld, dieser agent provocateur.
Agens 2: Der Kopf im Bild ist die Inversion des Bildes im Kopf. Das der betrachtenden Person und das der Akteurin. Die alltägliche Wahrnehmung vom Fernsehbild als Kopf im Bild wird unterlaufen.
Agens 3: Die Gegenstände, die alten Bekannten, treten hinzu. Sie fungieren als "little helpers"- als Mundstücke, Megaphone, Instrumente, Metronome, als Requisiten oder Kleidungsstücke. Neue Gebrauchsfunktionen werden erfunden, die den Gegenständen apotropäischen Charakter geben, sodaß sie als Zaubermittel das Unheil abwehren.
Agens 4: Die Videostücke von Sabine Marte sind immer auch Sprechakte. In polyphon-variabler Anordnung kann man folgendes sehen und hören: Lautgebärden, die aus dem Experimentieren mit Sprechwerkzeugen entstehen, gleichsam als Work-it-out des Word-it-out-Aktes. Die Mimik hat Dialogcharakter:
Sprechakte als objets trouvées, gesprochene oder gesungene Wörter und Sätze aus verschiedenen Sprachen.
Sprechakte als Reden, Redeschwälle, Sprechgesänge und Ansprachen mit onomatopoetischem Charakter ("ME THING-YOU DOG"). Das Gedankliche liegt mit dem Sinnlichen/ Sprachlichen/ Musikalischen/Gestisch-Mimischen eng beieinander. Die Akteurin spricht als In-between.
Die Verbindungslinie zwischen den Agierenden wird durch Dialogizität gezeichnet. Mit subtilen Mitteln wie zerberstendem Lachen, melancholische Genauigkeit, weilblichemwahnwitz hinter-geht die Akteurin die Bilder.

(Maria Bodingbauer)

Orig. Titel
Me Thing - You Dog
Jahr
1998
Land
Österreich
Länge
24 min
Regie
Sabine Marte
Kategorie
Kurzspielfilm
Orig. Sprache
keine angaben
Credits
Regie
Sabine Marte
Verfügbare Formate
Digital File (prores, h264) (Originalformat)
Tonformat
Ton
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
Farbe
Festivals (Auswahl)
1998
Amiens - Festival Int. du Film