Palmer

Von einer Penisprothese, wie sie in Filmproduktionen mittlerweile bei Nacktszenen zum Einsatz kommen, muss man bei Palmer nicht ausgehen. Das Setting des Films war denkbar schlicht: Die mittlerweile 77-jährige Friedl vom Gröller bittet einen (homosexuellen) Escort zu Nacktaufnahmen, lässt die Feinripp-Unterhose des Mannes von ihrer jüngeren Komplizin, der Filmemacherin Josephine Ahnelt – die wie eine Puppenspielerin hinter einer Holzwand verdeckt bleibt –, nach unten ziehen und stellt das Glied zur Schau. Das Ausziehen als verzögerter erotischer Akt mit feinem Fingerspiel verquickt sich hier mit einer schulischen Versuchsanordnung eines Lehrfilms, der Fakten offen legen will.
Durch die Fake-Marke Palmer der Unterhose (bezugnehmend auf den höherpreisigen österreichischen Textilhersteller Palmers, auf Unterwäsche, Dessous und Bademode spezialisiert) ist sogleich die soziale Herkunft des Mannes markiert, der anonym und nur fragmentiert auf den Intimbereich zwischen Bauchnabel und oberhalb des Knies präsentiert wird. Die Größe des männlichen Genitals ist seit je her ein Themenfeld für Mythenbildungen, oftmals in Filmen schamvoll verdeckt, selten in einer ganz natürlichen Form gezeigt. Wieso das so ist, darüber lässt sich spekulieren. Fragen von falsch verstandener Moral oder die repressive Haltung zu Körperbildern und Sexualität, die geradezu alle Religionen verbindet, mögen mit Gründe dafür sein. Gegenbeispiele lassen sich aber auch in unabhängigen Filmproduktionen der Gegenwart nur noch vereinzelt finden. Dass das Patriarchat durch die Verdeckung des Penis oder dessen phallische Überstilisierung länger aufrecht zu erhalten erscheint, sei als provokante These in den Raum gestellt. Die rinnende Sanduhr am Schluss verweist nochmals auf die schwindende Virilität und das näher rückende Lebensende der Filmemacherin, auch die Zeit der Verschleierung und die damit einhergehenden gesellschaftspolitischen Implikationen haben ein Ablaufdatum. (Dietmar Schwärzler)

Orig. Titel
Palmer
Jahr
2023
Land
Österreich
Länge
3 min
Kategorie
Experimental
Orig. Sprache
Kein Dialog
Downloads
Palmer (Bild)
Credits
Regie
Friedl vom Gröller
Konzept & Realisation
Friedl vom Gröller
Mit Unterstützung von
Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport / Federal Ministry for Arts, Culture, the Civil Service and Sport
Verfügbare Formate
16 mm (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,37
Tonformat
Stumm
Farbformat
s/w
Festivals (Auswahl)
2023
Viennale - Vienna Int. Film Festival
2024
Graz - Diagonale, Festival des österreichischen Films