Nüsse

Ein älteres Paar sitzt jugendlich scherzend auf einer Gehsteigkante. Gegenstand ihres gemeinsamen Amüsements ist ein winziges Buch. In der filmischen Miniatur Das kleine Buch von Friedl vom Gröller ist die Szene (aus ihrem Passage Briare von 2009) das Intro zu einer charmanten Eloge auf das Lesen und die analoge Kultur. Die Filmemacherin benötigt dafür nur zwei Buchobjekte, zwei Teenager und ein paar langsame Einstellungen: Die erste zeigt ein Mädchen, das sichtlich konzentriert in besagtes Buch vertieft ist. Die Aufnahme wirkt fast wie ein Standbild, wären da nicht die typischen 16mm-Film-Lichteffekte: ein Flackern, wechselnde Schattenwürfe und Lichtverhältnisse. Aufmerksam betrachtet danach ein Bub lange zwei Kunstwerke an der Wand, bevor er auf dem Sofa hinter den Deckeln eines übergroßen Buches versinkt.
Dass das Mädchen zudem ein Kabeltelefon und eine Schreibmaschine benutzt, unterstreicht ebenso augenzwinkernd wie unmissverständlich die Aufforderung zum Digital Detox.

In kleine Inszenierungen wie diese und instruierte Darstellungen alltäglichen Lebens packt Friedl vom Gröller in ihrer Filmtrilogie Nüsse ihre Kommentare zum medialen, aber auch allgemein konsumistisch ausgerichteten Zustand der Welt. Vorgeführt werden die Resilienz stärkende Techniken wie Langsamkeit und Lesevergnügen, aber auch eine kritische Sicht auf Fast Fashion und die damit zusammenhängende immense Überproduktion.

In der für sie typischen, unbekümmerten Manier filmt Friedl vom Gröller im Film 1 €, 3 € die riesigen Kleiderberge auf dem Markt der italienischen Stadt Pavia, wo sie täglich von Massen durchwühlt, taxiert und von den Verkäufer*innen immer wieder zusammengelegt werden. Narrativ-absurder Höhepunkt ist der Streit zwischen zwei jungen Frauen um eines der tausenden Tops, deren Verkaufspreis innerhalb einer Woche von 1 € auf 3 € gesprungen ist.

Im dritten Film Veronique kommen das Faible der Filmemacherin für Frauenporträts und ihr Gespür für perfektes Timing noch einmal zusammen: sie filmt darin das über Jahre gewachsene, überladene Interieur des gleichnamigen Frisiersalons und die drei Frauen, die dort, stets in weiß gekleidet gearbeitet haben. Mitte 2025 wurde der Salon geschlossen. Bleiben werden die Aufnahmen der porzellanhaften Gesichter, die Friedl vom Gröller genauso lange in den Blick nimmt, bis man hinter kleinen mimischen Veränderungen und ihren Gegenblicken den Wechsel vom Posen zur Persönlichkeit zu sehen meint. (Christa Benzer)

Orig. Titel
Nüsse
Jahr
2025
Land
Österreich
Länge
11 min
Kategorie
Experimental
Orig. Sprache
Kein Dialog
Credits
Regie
Friedl vom Gröller
Mit Unterstützung von
BMWKMS Abteilung Film
Verfügbare Formate