Borjana Ventzislavova
Erstmals tun sich als Kooperation von sixpackfilm, Breitenseer Lichtspiele und Filmmuseum die beiden Programmschienen IN PERSON und FOCUS ON zusammen und präsentieren gemeinsam das Schaffen der österreichisch-bulgarischen Filmkünstlerin Borjana Ventzislavova, deren Arbeiten weltweit bereits in zahlreichen Ausstellungen sowie auf Medienkunst- und Filmfestivals vertreten waren, darunter Belvedere 21, MAK, Nationalgalerie Sofia, Kunstforum Wien, ICA London, transmediale Berlin und IDFA.
Ventzislavova setzt sich in ihren Werken stets mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen auseinander, die sie mittels dokufiktionaler Narrationen verhandelt. Die Erforschung von sozialer Identität, Marginalisierung, interkultureller Teilhabe und Machtstrukturen bildet dabei ein zentrales Motiv ihrer Kurzfilme. In der Verschränkung von dokumentarischen Aufnahmen, inszenierten Handlungen, Voiceover und Texten untersucht sie die Relation von Imagination und realen Praktiken und hinterfragt auf diese Weise die Konstruktion sozialer Wirklichkeiten.
Den zweiten Schwerpunkt der Schau bildet die Wienpremiere von Ventzislavovas Langfilm-Debut New News from Another Home von 2024, eine Hommage an Chantal Ackermans herausragendes Filmessay News from Home von 1976/77. Fast fünfzig Jahre nachdem Ackerman zu Aufnahmen von New Yorker Stadtansichten Briefe verlas, die ihr die Mutter während ihres ersten Aufenthalts in der fremden Stadt hinterherschickte, greift Ventzislavova die Motive in einer persönlichen Reise durch das verehrte Werk auf und verknüpft sie mit der eigenen Familiengeschichte. (Lotte Schreiber)
Mittwoch, 5.11.2025 // 18:00
KURZFILMPROGRAMM Borjana Ventzislavova
• Migration Standards, A 2011, 5 min (dt. m. engl. UT)
• Es fehlt ihm die Gesundheit, A 2013, 13 min (dt. m. engl. UT)
• And the sky clears up (MAGIC RESISTANCE), A 2018, 23 min (dt. m. engl. UT)
• Gesellschaftsspiele, AT/BG 2020, 16 min (bulg. m. engl. UT)
• We The Nature, A 2021, Farbe, 27 min, (eOF)
Rituale und Rollenspiele eröffnen Räume der Selbstermächtigung – wenn Kinder migrationspolitische Forderungen an die Kamera richten (Migration Standards), Mitarbeiter*innen des bulgarischen Kulturinstituts Wittgenstein zitieren (Es fehlt ihm die Gesundheit), Frauen rätselhafte rituelle Handlungen ausführen (And the sky clears up) oder distinguiert gekleidete Damen und Herren sich populären Kinderspielen hingeben (Gesellschaftsspiele). Selbst der Natur verleiht Ventzislavova eine Stimme und verdichtet Text und Bild zu einem Angriff auf Ignoranz und kapitalistische Ausbeutung (We The Nature). (Lotte Screiber)
Mittwoch, 5.11.2025 // 20:30
News From Home
Chantal Akerman
FR 1977 B: Chantal Akerman K: Babette Mangolte S: Francine Sandberg. 16mm, Farbe, 88 min. Englisch
In den 1970er und frühen 1980er Jahren traf kein Genre den Geist und die Gelüste des cinephilen Publikums so exakt wie die Road movies. Die Devise lautete: fahren, fahren, fahren! Und meist war damit gemeint: quer durch Amerika. Bei Chantal Akerman werden neben dem ursächlichen Rausch und der Eleganz des filmischen Fahrens auch die Bruchstellen jener transatlantisch ausgerichteten Lust spürbar. Sie dreht zwar „drüben“, versenkt sich fahrend in die Stadt New York, tut dies aber aus der Distanz, in Bildern voller Einsamkeit und Fremdheit. Auf der Tonspur, über die scharfe Geräuschkulisse der Stadt hinweg, liest die Filmemacherin „Nachrichten aus der Heimat“: Briefe ihrer Mutter aus Brüssel. Im schillernden Kontrast zwischen der so vermittelten Heimat und der sichtbaren Fremde wird die utopische road des Kinos zur dialektischen detour. (Alexander Horvath)
Donnerstag, 6.11.2025 // 18:00 (Wien-Premiere)
New News from Another Home
Borjana Ventzislavova
AT/BG 2024, B: Borjana Ventzislavova K: Lauretta Prevost, S: Borjana Ventzislavova. DCP Farbe, 87 min, Sprachversion ??
Zu seiner ikonischen Vorlage von Chantal Akermann aus 1977 verhält sich New News From Another Home von Borjana Ventzislavova wie eine Doppelgänger-Erzählung.
News From Home ist Teil des kollektiven Bildgedächtnisses und so wird Ventzislavovas Reenactment unweigerlich zu einer Vergleichsstudie entlang ineinander verschränkter Zeitachsen. Neben dem Mutter-Tochter-Verhältnis bilden sich die ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen ab, die in der Topografie ihren Abdruck hinterlassen haben: die Kapitalisierung des öffentlichen Raums, die Allgegenwart des Digitalen, Verkehrschaos.
Anders als die einseitige, auf der Stelle tretende Korrespondenz im Referenzfilm, spricht aus den Emails zwischen Mutter und Tochter ein bewegter Austausch. Die Fragmente skizzieren eine mehrgenerationelle Geschichte zwischen Eisernem Vorhang, Emigration und Nachwendejahren. (Esther Buss)
Eine Kollaboration von Österreichisches Filmmuseum, Breitenseer Lichtspiele / Lotte Schreiber und sixpackfilm.
In Anwesenheit von Borjana Ventzislavova
Programmzusammenstellung: Lotte Schreiber, Moderation: Lotte Schreiber und Gerald Weber
Österreichisches Filmmuseum
Augustinerstraße 1
1010 Wien
Kartenreservierungen: 533 70 54 oder online: filmmuseum.at